eye squares 4-Phasen-Krisenmodell

1. Turmoil/Panic: „Ich muss handeln”

Das Coronavirus ist für die Menschen ein mortalitäts salienter Reiz, der die eigene Sterblichkeit triggert. Da dieser sich auf den eigenen Tod beziehungsweise den Tod im familiären Umfeld und der In group bezieht, findet eine Erregung im tiefsten Zentrum des Menschen statt. In Phase I wird ein unruhiges Verhalten, ungeordnete Emotionen, wie Lust Hunger und kurzfristige Überlebensreaktionen ausgelöst, wie z.B. der panische Kauf von nicht verderblichen Lebensmitteln und Toilettenpapier. Die Kognitionen sind chaotisch und können paranoid sein. Die Wahrnehmung ist geschärft, intensiv und nichtlinear, die Bilder sind dystopisch, klinisch und tödlich. Die Worte sind objektiv, neu und hart: “Triage” zum Beispiel. Das Aufmerksamkeitsfenster ist klein, da nur die neuesten Entwicklungen im Zusammenhang mit der Krise konsumiert werden. Es gibt eine eher paranoide Reaktion gegen den Staat (Kollektiv). Der innere Archetyp ist der Kämpfer, das Verhalten ist aufgewühlt.

2. Regression/Comfort: „Wir können nichts machen”

Wenn die Realität der neuen Umstände einsetzt und Panikreaktionen abklingen, entstehen neue emotionale Reaktionen, sowohl positive als auch negative, wie z.B.: Entspannung (positive Gefühle, z.B. durch den Wegfall des Büros oder den langsameren Gang des Lebens mit der Aufhebung aller Verpflichtungen) oder Depression (verbunden z.B. mit der Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, dem ständigen Verbleiben zu Hause, dem Niedergang der Finanzmärkte). In Phase II findet ein eher passives Gefühl von Fatalismus, Unvermeidbarkeit und Delegation statt. Die Wahrnehmung ist diffus, die Erregung gering, das Gefühl, klein zu sein, führt zu einem Rückgang der Handlungen. Die Wahrnehmung ist chaotisch und traumartig. Die Menschen beginnen, auf einen “Großen Anderen” zu schauen, um sowohl Trost als auch praktische Lösungen zu finden. Dieser “Große Andere” variiert von Kultur zu Kultur; für viele ist es die Religion, für einige, besonders in Westeuropa, der Staat. Das Aufmerksamkeitsfenster erweitert sich beträchtlich, wenn die Menschen Zeit haben und anfangen, tröstende Medien zu konsumieren.

3. Hyper Strength: „Ich kann handeln“

Charakterisiert wird diese Phase durch starke Leistungsfähigkeit zur Bewältigung der Situation oder zum Umgang mit den konkreten Problemen. Diese „heroische Phase” ist eine hochgradig emotionale. Sie ist lösungs- und kontrollorientiert mit erhöhter Motivation und Einfühlungsvermögen. Sie wird oft von einem Gefühl der Solidarität und dem Aufruf zur Zusammenarbeit bei der Bewältigung der anstehenden Probleme angetrieben. Die Betonung der Solidarität kann sich in einem verstärkten Gruppenverhalten manifestieren (“Wir gegen die anderen”). In Phase III werden sowohl auf lokaler als auch auf nationaler Ebene Grenzen errichtet und befestigt. Es gibt eine Hinwendung zu intellektuellen Ressourcen wie Büchern und Online-Kursen. Die Menschen beginnen, sich auf die Verbesserung sowohl des individuellen Selbst als auch der Gruppe, der man angehört, zu konzentrieren. Die Wahrnehmung ist fokussiert, die Reaktionen logisch, das Verhalten geordnet. Es herrscht hohe innere Energie.

4. Neo-Normality:  „Wir dürfen handeln“

Durch Sinnstiftung und Narrationsbildung wird sich ein neues Level ergeben, das mit
weiten Aufmerksamkeitsfenstern, Geduld und Stärke, insgesamt einer neuen Gelassenheit und Menschlichkeit einhergeht. Einfühlungsvermögen wird gesteigert sein, die Logik der Liebe wird als Grunderfahrung allen zugänglich sein. Die Werte werden sich erneuern, bereits jetzt bestehende Perspektiven wie etwa die, Erfüllung über den Konsum zu stellen, werden zunehmen.

Die Auswahl wird anspruchsvoller und das Leben im „neuen Normalen“ wird intensiver gestaltet werden. Es wird sich stärker lokal orientiert. Im Verhältnis zur Maschine wird es ein noch stärkeres Bestreben nach digitaler Exzellenz und höchster User Experience geben.

Diese vier Phasen der menschlichen Krisenerfahrung entwickeln sich nicht unbedingt linear und variieren von Kultur zu Kultur. In der Regel verlaufen sie jedoch von Phase I zu Phase IV. Eine weitere Veränderung der Situation kann das “Corona-Rad” erneut in Bewegung bringen. 



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